Am Rande notiert: Das Café Einstein
Mir begegnet manchmal diese Vorstellung, dass man als Politiker jeden zweiten Tag mit einem Lobbyisten in einem von Zigarrenrauchschwaden vernebelten Bibliothekszimmer sitzt und mit gedämpften Stimmen gegen beträchtliche Schmiergelder die Zukunft des Vaterlandes verramscht. Diese fantasievollen Vorstellungen konspirativer Hinterzimmerpolitik gehören allerdings doch in Agentenfilme der 1960er Jahre. Deutlich wird das, wenn man einen Ort besucht, an dem sich das politische Berlin tatsächlich häufiger zum Austausch in kleiner Runde trifft. Das „Café Einstein“ Unter den Linden, fußläufig vom Reichstagsgebäude erreichbar, genießt überregional den Ruf eines Treffpunkts von Bundespolitikerinnen und Bundespolitikern, Künstlerinnen und Künstlern, Journalistinnen und Journalisten, Lobbyistinnen und Lobbyisten. Zwischen 1993 und 1995 von dem Architekten Jürgen Sawade erbaut, hat sich das Café Einstein unter der Leitung des Gründers Gerald Uhlig-Romero zu einer Berliner Institution entwickelt. Das Ambiente ist nicht etwa dumpf und verraucht, sondern erinnert mit schlichter und moderner Ausstattung an die Eleganz Wiener Kaffeehäuser. Darin spiegelt sich die Verbindung aus Tradition und kosmopolitischer Modernität wider, die den ganz eigenen Charme des Cafés ausmacht. Bei einem Besuch besteht durchaus die Gelegenheit, nicht nur Politikerinnen und Politiker beim Mittagessen am Nebentisch anzutreffen, sondern auch internationale Prominenz aus Film und Theater. Dabei ist das Café auf keinen Fall ein Rückzugsort, an dem sich nur die Reichen, Mächtigen und Schönen zum Klüngeln treffen. Touristen trinken ihren Kaffee neben alteingesessenen Berlinern, Angestellte aus den umliegenden Büros treffen sich nach der Arbeit auf ein Feierabendbier und an manchen Tischen verschanzen sich Leute hinter einer aufgeschlagenen Zeitung, um der schnelllebigen Geschäftigkeit, die Berlin-Mitte beherrscht, für einen Moment zu entfliehen. Es ist einer dieser Begegnungsorte, an dem die Möglichkeit besteht, der großstädtischen Anonymität etwas zu entfliehen – oder aber, sich ganz in ihr zu verlieren und für einen Moment als stiller Beobachter einfach zuzusehen.