Gedanken zum 27. Januar
Auschwitz, Treblinka, Sobibór, Belzec – untrennbar sind diese Namen mit dem singulären Verbrechen verbunden, das der Holocaust darstellte. Es waren Orte, an denen das Ziel einer „totalen“ Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas als industriell organisierter Massenmord vorangetrieben wurde. Allein in dem Vernichtungslager Treblinka wurden über 800.000 Menschen direkt nach ihrer Ankunft ins Gas getrieben. Lediglich etwas über 60 Überlebende sind namentlich aus Treblinka bekannt. Einer von ihnen war Samuel Willenberg, der im Oktober 1942 im Alter von 19 Jahren nach Treblinka kam. In Treblinka gab es keine Selektion, kein Arbeitskommando, außer ein paar Häftlingen, die in das sogenannte Sonderkommando eingeteilt wurden. Diese wenigen, zu denen Samuel Willenberg gehörte, wurden dazu gezwungen, die ankommenden Deportierten in die Gaskammern zu begleiten, ihre Kleider und Wertgegenstände auszuplündern und die Leichen nach der Ermordung in Massengräbern zu verscharren. Bis August 1943 musste Samuel Willenberg die Kleidung der Deportierten sortierten, unter der er eines Tages auch einen Mantel und einen Rock fand, von denen er wusste, dass sie seinen beiden jüngeren Schwestern gehört hatten. Am 2. August 1943 beteiligte er sich am Aufstand von Treblinka. Er gehörte zu den wenigen Häftlingen, denen die Flucht gelang und schlug sich nach Warschau durch, wo er sich der polnischen Untergrundarmee im Widerstand gegen die deutsche Besetzung anschloss. Nach dem Krieg emigrierte er nach Israel, wo er vierzig Jahre lang für das Entwicklungsministerium arbeitete. Nach seiner Pensionierung fand er in der Bildhauerei einen Weg, den unvorstellbaren Schrecken, den er in Treblinka erlebt hatte, darzustellen. Als einer der wenigen, die Treblinka überlebt hatten, erzählte und schrieb er bis zu seinem Tod im Jahr 2016 über das, was er dort gesehen und erlebt hatte. Mit Samuel Willenberg starb der letzte Überlebende aus Treblinka. Von dem Vernichtungslager, in dem so viele Frauen, Männer und Kinder ermordet wurden, ist heute nichts mehr zu sehen; ihre Leichen wurden im Frühling 1943 angesichts der vorrückenden Roten Armee verbrannt und die Gebäude zerstört. Was bleibt, sind die Erinnerungen der Überlebenden, die uns nachkommenden Generationen eine Mahnung zur Verantwortung und eine Pflicht zur Erinnerung sind. Die „totale“ Vernichtung, das war das Ziel einer vollständigen Auslöschung der Opfer, ihrer Identität, ihres Menschseins, ihres Körpers und schließlich jeder Erinnerung daran, dass sie jemals existiert hatten. Die Erinnerung an den Holocaust und das Gedenken seiner Opfer, das bedeutet bis heute, Widerstand gegen dieses Ziel zu leisten. Es bedeutet, für Werte wie Empathie und Humanität in unserer Gesellschaft zu kämpfen, die damals fehlten, als Verwandte, Freunde, Nachbarn und Kollegen verschleppt wurden und nie mehr wiederkamen. Dieser Kampf ist immer auch der der Sozialdemokratie. Wir müssen uns immer daran erinnern, dass es unsere Aufgabe ist, stets an der und auf der Seite der Verfolgten, der Diskriminierten, der Unterdrückten zu stehen. Sozialdemokratin, Sozialdemokrat zu sein heißt, immer auf der Seite der Menschlichkeit zu stehen.
Bild: Bundesarchiv, B 285 Bild-04413 / Stanislaw Mucha / CC-BY-SA 3.0