Die aktuelle Debatte um die Neuregelung zur Organspende beweist, dass das Plenum eine entscheidende Rolle in der politischen Willensbildung leistet. Am 28. November 2018 kam es im Rahmen einer Orientierungsdebatte zum ersten ergebnisoffenen Meinungsaustausch zwischen den Abgeordneten über die Organspende.
Wie sinnvoll und lohnend ein solcher Austausch jenseits der Fraktionsdisziplin bei einem moralisch komplexen Thema wie der Organspende ist, zeigt sich daran, dass zwei Gesetzesentwürfe am 26. Juni 2019 zur ersten Lesung gebracht wurden, die auch als Ergebnis der Orientierungsdebatte anzusehen sind. Dabei handelt es sich nicht etwa um einen Regierungs- und Oppositionsvorschlag, sondern um zwei Entwürfe, die von interfraktionellen Abgeordnetengruppen ausgearbeitet wurden. Einer davon, der von einer Parlamentariergruppe um Annalena Baerbock (Grüne) und Katja Kipping (Linke) unterstützt wird, macht eine explizite Zustimmung des Einzelnen zur Voraussetzung für eine Registrierung als Organspender. Der andere Vorschlag, der mich nach reiflicher Überlegung überzeugt hat, wurde von einer parteiübergreifenden Gruppe um Karl Lauterbach (SPD) und Jens Spahn (CDU) ausgearbeitet.
Er sieht die sogenannte Widerspruchslösung vor, d.h., dass jeder als Organspender registriert wird, außer er widerspricht diesem Verfahren. Diese Entscheidung kann jederzeit revidiert werden. Bei allen gravierenden inhaltlichen Unterschieden sind beide Entwürfe das Produkt einer respektvollen, demokratischen Auseinandersetzung. Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass ein sensibles Thema wie das der Organspende überhaupt angemessen behandelt werden kann!
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