“Deutsch-russische Beziehungen – Zeit für einen Neustart?“ – im Gespräch mit Russland-Experte Mathias Platzeck
Dies war der Titel einer Veranstaltung mit mir und der FES am 16.1.2017 im Café Moskau in Chemnitz. Ich war nie ein Freund der Sanktionspolitik. Natürlich sind die Sanktionen (neben der Diplomatie) eines der wenigen Mittel, die der Europäischen Union zur Verfügung stehen, um auf die völkerrechtswidrigen Aggressionen Russlands auf der Krim und in der Ukraine zu reagieren. Von Erfolg gekrönt war die Sanktionspolitik aber bisher nicht, ganz im Gegenteil: Die Beziehungen sind so schlecht wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr, und die Sanktionen konnten Russland nicht von seiner harten Haltung abbringen. Letztlich, und darüber war sich das gesamte Podium einig, ist eine gemeinsame und umfassende europäische Sicherheitspolitik aber nur mit Russland möglich, und deshalb bedarf es nun tatsächlich eines Neustarts der Beziehungen. An deren Anfang muss eine schrittweise Neubewertung der Sanktionen stehen. Es geht dabei aber nicht darum nachzugeben: Wir müssen uns immer darüber im Klaren sein, in welchem Maße sich unsere osteuropäischen Nachbarn (vor allem Balten und Polen) von Russland bedroht fühlen. Die jüngsten Maßnahmen der NATO sind in diesem Zusammenhang im Grunde nur Gesten des guten Willens gegenüber den NATO-Partnern. Denn es muss immer das Steinmeiersche Prinzip gelten: Diplomatie und Dialog müssen immer absoluten Vorrang haben.
Der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums e.V., Mathias Platzeck, spricht sich klar für die außenpolitische Wiederannäherung aus!
Mathias Platzeck, brandenburgischer Ministerpräsident a.D., Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums e.V., hob im ersten Teil der Veranstaltung im Gespräch mit der Moderatorin Eileen Mägel die Wichtigkeit Russlands hervor. Ein Miteinander mit Russland auf Augenhöhe sei nur auf der Grundlage von Achtung und Respekt möglich und bilde somit auch die Grundlage eines konstruktiven partnerschaftlichen Dialoges. Im Hinblick auf die Sanktionen gegen Russland betonte Mathias Platzeck erneut, weshalb er jene Sanktionen immer noch als Fehler betrachtet und warum er sich schon 2014 dagegen aussprach. Demnach seien die Wirkungsweise und die Ziele zu hinterfragen. Russland sollte sein Vorgehen in der Ukraine-Krise überdenken und sein Verhalten ändern. Dies habe Russland bisher nicht getan, der Gesprächsfaden in den Kreml sei so gut wie abgerissen – die Beziehungen seien nunmehr deutlich unterkühlt. Eine weltumspannende Sicherheitsarchitektur gebe es nur mit Russland. Letztlich verwies Mathias Platzeck auf das Wirken Willy Brands und Egon Bahrs, in deren Schaffenszeit es deutlich größere Spannungen zwischen Russland und dem Westen zu überwinden galt. Aber selbst in dieser Zeit sei es gelungen, gemäß des Leitbilds „Wandel durch Annäherung“ eine schrittweise Entspannung einzuleiten.
Im zweiten Teil der Veranstaltung wurde das Podium durch Doz. Dr.-Ing. habil. Heidrun Steinbach, Hans-Joachim Wunderlich, Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz, und mir selbst ergänzt. Die beiden Vertreter aus der Wirtschaft wiesen auf die stets guten bis sehr guten Beziehungen zwischen Russland und Deutschland hin und fügten an, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit stets Triebfeder politischer und kultureller Annäherung gewesen sei.