Christian Lindner mit Handy, Christian Lindner in einem Vorlesungssaal, Christian Lindner im Profil, frontal oder mit gesenktem Blick – Hauptsache immer lässig und manchmal auch romantisch schwarz-weiß. Dass FDP-Wahlkämpfe inzwischen nur noch Lindner-Wahlkämpfe sind, hat einen Grund. Immerhin war er es, der seine Partei selbstbewusst und kämpferisch aus einer der schlimmsten Krisen ihrer Geschichte geführt hat.
Nun verläuft die Grenze zwischen Selbstbewusstsein und Überheblichkeit zwar sehr schmal, aber hier bemerkenswert deutlich. Wenn der FDP-Parteivorsitzende davon spricht, dass die Krim ein „dauerhaftes Provisorium“ darstellen solle, ist sie definitiv überschritten.
Es ist zunächst schon deswegen eine zutiefst unsinnige Bemerkung, weil ein Provisorium niemals etwas Dauerhaftes sein kann. Aber, Wortklauberei beiseite, viel unsinniger ist natürlich das, was er damit meint: Russlands Anspruch auf die Krim zu akzeptieren und die Umstände zu ignorieren, die zur Annexion geführt haben.
Die Annexion der Krim war eine aggressive, völkerrechtswidrige Handlung, die von der EU und der Bundesregierung als solche auch konsequent verurteilt wird. Konsequent, das heißt, Russland dafür mit Sanktionen zu belegen, ohne den Gesprächsfaden abreißen zu lassen. Es zeigt, dass Russland immer noch als wichtiger Partner für Deutschland und die EU ernst genommen wird, dass ein beidseitiger Dialog weitergeht, dass Diskussionen geführt werden und niemand einen diplomatischen Bruch möchte.
Diesem Vorgehen widerspricht Lindner auch nicht – behauptet aber gleichzeitig, dass der Konflikt „eingefroren“ werden müsse, um ihn zu lösen. Was das genau heißen soll, sagt er nicht, auch nicht, was das für die Menschen bedeuten soll, die auf der Krim leben. Solche Widersprüche und Unklarheiten lassen Interpretationsspielräume zu, die zu sehr fragwürdigen Schlüssen führen.
Es sollte Christian Lindner als Liberalen zu denken geben, von welchen Seiten und warum er nun Applaus für seine Bemerkung bekommt: zum Beispiel von Sahra Wagenknecht, die ihn dafür lobt, angeblich an die Tradition der Entspannungspolitik Willy Brandts und Walter Scheels „anknüpfen“ zu wollen – eine völlig unhistorische Behauptung, die lediglich beweist, wie sehr Frau Wagenknecht gedanklich im bipolaren Weltbild steckengeblieben ist. Umso peinlicher ist es, dass Christian Lindner genau diese Argumentation aufnimmt und sich in der Rolle des vermeintlichen Brandt/Scheel-Erben deutlich zu gut gefällt. Entspannungspolitik hieß auch zur Zeit des Kalten Kriegs nicht, Appeasement zu betreiben. Entspannungspolitik hieß, diplomatische Wege zu eröffnen, die davor nicht bestanden hatten, zu diskutieren und im Dialog schließlich zu Kompromissen zu finden – alles, was sowieso bereits zwischen der EU und Russland stattfindet.
Christian Lindner hat zur Genüge bewiesen, dass er Politik mit Selbstbewusstsein und Kampfgeist betreiben kann. Es wäre nun höchste Zeit, zu beweisen, dass er auch über Nachdenklichkeit, Geduld und – vor allem! – Fingerspitzengefühl verfügt. Denn wenn nicht, können auch die besten Foto-Filter nicht verhindern, dass das liebgewonnene FDP-Motiv eine gewisse Unfähigkeit, ja, eine gewisse Lächerlichkeit ausstrahlt.