Am Rande notiert: Gedenken an das Grauen
Geht man vom Reichstagsgebäude am Brandenburger Tor vorbei und lässt auf der Ebertstraße die amerikanische Botschaft links liegen, steht man bald vor einer wellenförmigen Fläche, aus der große graue Stelen emporragen. Um genau zu sein, sind es 2.700 Betonstelen, die – auf 19.000 Quadratmeter verteilt – an das Schicksal der 1933-1945 ermordeten Juden Europas erinnern.
Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas wurde nach intensiven Debatten im Bundestag um Gestaltung und Umsetzung schließlich im Mai 2005 eröffnet. Seine abstrakte Gestaltung lässt individuelle Assoziationen zu und fördert damit eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Auch wenn immer wieder Bedenken laut werden, dass das Denkmal zu abstrakt sei und als Freizeit- oder Spielfläche missverstanden werden könnte – mich persönlich beeindruckt die offene Struktur des Denkmals jedes Mal aufs Neue. Wenn man die schmalen Gänge zwischen den Stelen entlangläuft, gleichsam zwischen ihnen verschwindet, bis sie schließlich – jedes Geräusch verschluckend – um einen herum aufragen, lassen sie eine beklemmende Ahnung von dem entsetzlichen Verbrechen zu, das nicht darstellbar bleibt.
Damit die vielen Besucherinnen und Besucher aber nicht Gefahr laufen, lediglich mit einem vagen Gefühl bedrückender Irritation zurückzubleiben, wird das Stelenfeld um den unterirdisch gelegenen „Ort der Information“ ergänzt. In einer Ausstellung wird hier über die Entrechtung, Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden informiert. Dabei geht es auch darum, an die Identität und die individuellen Lebenswege der Opfer zu erinnern, die von der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten abgebrochen wurden. Besonders eindrucksvoll erinnert daran der „Raum der Namen“, wo Biografien, Lebensdaten und Namen von Opfern vorgelesen und so vor dem Vergessen bewahrt werden.
In den vergangenen Jahren wurden nahe des Denkmals drei Gedenkorte für weitere Opfergruppen des Nationalsozialismus eingeweiht: Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen (2008), das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas (2012) und der Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde (2014). Sie alle befinden sich in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Bundestag. Dass dort inzwischen auch Abgeordnete sitzen, die offen versuchen, die Erinnerung an den Holocaust zu verharmlosen, ist eine Schande. Ihre Kommentare sind es nicht wert, hier zitiert zu werden. Aber die Nähe zu den Berliner Orten des Gedenkens ist für mich täglicher Ansporn, gegen die Hetzer das Wort zu ergreifen.