„…und entschuldigen uns für die Verspätungen“
Ein Sprecher der Schweizer Bahn spottete einmal, in Deutschland hätten die Züge keine Verspätung, sondern eine voraussichtliche Ankunftszeit. Die ewigen Verspätungen sind bei den Kundinnen und Kunden einer der Hauptkritikpunkte am Angebot der Deutschen Bahn. Bahn-Chef Richard Lutz hat nun die Hoffnungen gedämpft, dass sich das in den kommenden Jahren ändern wird: „Das Grunddilemma, dass auf einem durch Baumaßnahmen zunehmend belasteten Netz immer mehr Züge fahren, wird uns bei der Pünktlichkeit daher noch Jahre begleiten.“
Das Problem hat viele Ursachen: Technische Störungen, Unwetter, eine Vielzahl von Baustellen, stark erhöhtes Fahrgastaufkommen, und generell eine Infrastruktur, die an ihre Grenzen stößt. 2018 nun hat die Bahn noch einmal 100 Millionen Euro allein in die Pünktlichkeit investiert, und zwar u.a. in ein neues „Lagezentrum Pünktlichkeit“. Bahnchef Lutz erwartet deswegen eine Trendwende, erklärte aber, dass man doch oberhalb der 80 Prozent Pünktlichkeit erst einmal nicht mehr landen werde.
Was müsste man der Deutschen Bahn also raten? Wie bei allem im Leben helfen im Grunde nur die langfristigen Lösungen, die zunächst mühselig sind, aber das Problem am Ende wirklich und nachhaltig beseitigen.
Zunächst braucht es ausreichend Personal: Die Vorfälle im Jahre 2013 im Mainzer Hauptbahnhof, als der Fernverkehr in und um Mainz wegen Personalmangel bzw. hohem Krankenstand fast zum Erliegen kam, sollten als Warnung dienen.
Dann braucht es eine gute Infrastruktur mit ausreichend Flexibilität, wenn wieder einmal Not am Mann ist, d.h. Reservevorhaltung bei Wagen und kompletten Zügen, Engpassbeseitigung bei Triebfahrzeugen, den Ausbau von nur eingleisigen Strecken und den Ausbau von Knotenbahnhöfen.
Das alles kostet natürlich viel, dauert lange und bringt kurz- und mittelfristig auch Einschränkungen wie Zugausfälle, Schienenersatzverkehre und Verspätungen mit sich. Es bringt aber langfristig sehr viel und würde dazu führen, dass man in Zukunft bei den Reiseplanungen nicht mehr den mittlerweile fast obligatorischen „Verspätungs-Puffer“ einkalkulieren muss.
Einen entscheidenden Vorteil sollte aber auch die flächendeckende Einführung des digitalen Zugsicherungssystems ETCS (European Train Control System) bringen. ETCS kommt ohne Signale an den Strecken aus, was viel Geld bei Installation und Instandhaltung spart. Es kann bis zu 20 verschiedene Zugsicherungssysteme in Europa ersetzen und macht dadurch grenzüberschreitenden Verkehr einfacher. Aber für das Thema Pünktlichkeit vor allem: Die Bahn will damit 20 % mehr Züge auf die Strecke bringen, und zwar ohne einen einzigen Kilometer Gleis neu bauen zu müssen. Aber ausgerechnet Deutschland hat sich im Kreis der EU-Mitgliedstaaten beim Thema ETCS bislang eher zurückgehalten. Der neue Bahnvorstand mit Richard Lutz als Vorstandsvorsitzendem und Ronald Pofalla als Infrastruktur-Vorstand will das jetzt ändern.